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GCM 1-2017

GERMAN COUNCIL . RESPEKT ES BrAUCHt IMMEr EINE GEwISSE DIStANZ Interview mit dem ehemaligen Schweizer WM-Schiedsrichter Urs Meier über Respekt auf dem Fußballplatz Trainern und Funktionären umgeht und die nötige Fachkenntnis besitzt, schafft man dazu auch die erforderliche Grundlage. Meine menschlich positiven Erfahrungen haben je- denfalls sehr deutlich überwogen. Was hat sich in den vergangenen Jahren mit Blick auf den Gesichtspunkt Respekt im Fußball auf dem Platz und außerhalb verändert? Urs Meier: In unserer gesamten Gesellschaft haben sich die moralischen Grenzen verscho- ben, das Wertebewusstsein ist längst nicht mehr das, was es noch vor gut zehn Jahren war. Respekt vor Anderen bleibt dabei gern auf der Strecke und die Gewaltbereitschaft hat signifikant zugenommen. Meinungsäußerun- gen unterhalb der Gürtellinie sind mittlerwei- le in den Stadien die Regel. Das ist keine gute Entwicklung. Auch die Schiedsrichter machen hier nicht immer alles richtig, weil sie als Res- pektspersonen, die auch für Ordnung und Ruhe sorgen sollen, manchmal zu viel Nähe zu den Akteuren zeigen. Vor dem Anpfiff kann man bei einigen beobachten, wie sie beinahe schon kumpelhaft die Spieler begrüßen, sich Benachteiligungen respektvoll und auf Au- genhöhe miteinander reden sollte. Einer, bei dem das immer in persönlichen Begegnun- gen mit ihm zutraf, war Uli Hoeness. Mag er in der Öffentlichkeit auch auftreten wie er will, doch im direkten Gespräch – von Mensch zu Mensch – erwies er sich auch bei schmerz- vollen Niederlagen als absolut fair und hat sich – egal, wie meine eigene Schiedsrichter- leistung an dem Tag auch war – stets bei mir mit Handschlag bedankt. Ich schätze ihn dar- um bis heute sehr. Mit welchen Mitteln kann sich ein Schiedsrich- ter Respekt verschaffen? Urs Meier: Vor allem durch sein sicheres, selbstbewusstes Auftreten und eine klare Kommunikation. Er muss sich immer wieder seine Rolle als Unparteiischer bewusst ma- chen, denn sein Umfeld möchte ihn nicht sel- ten davon abhalten. Da höre ich Trainer sa- gen: »Herr Meier, wir sitzen doch alle im sel- ben Boot.« Ich sehe das allerdings völlig an- ders und entgegne denen: »Wir sind vielleicht auf demselben See, aber auf eurem Boot steht ›Parteiisch‹ und auf meinem ›Unpar- teiisch‹.« Ganz klar: Es muss immer eine deutli- che Trennlinie geben. Um in der Bild- sprache zu bleiben: Der Unterschied muss nicht riesig sein, aber es muss immer genügend Wasser zwischen Urs Meier, geboren am 22. Januar 1959 in würenlos ist ein ehemaliger Fußball-Schieds- richter. Meier war als solcher ab 1977 im Ein- satz. 1991 leitete er sein erstes Spiel in der Nati- onalliga A, seit 1994 war er FIFA-Schiedsrichter. Er pfiff bei der Fußball-wM 1998 das brisante Vorrundenspiel zwischen den USA und Iran so- wie das Achtelfinale zwischen Dänemark und Nigeria. Bei der wM 2002 leitete er das Halbfi- nale zwischen Südkorea und Deutschland. 2002 pfiff er das Finale der Champions League. Die Auszeichnung zum Schweizer »Schiedsrichter des Jahres« erhielt Meier von 1995 bis 2000 sechs Mal in Folge, ein siebtes Mal wurde er 2004 geehrt. Meier ist zudem seit Jahren ein ge- fragter Vortragsredner bei Veranstaltungen, ta- gungen und Kongressen, war auch beim Ger- man Council Congress. Mit Magazin-Chefre- dakteur Thorsten Müller sprach er über seine Ansichten zum Thema respekt. Warum sind Sie Schiedsrichter geworden und wann haben Sie sich dazu entschlossen? Gab es vielleicht eine Art Schlüsselerlebnis? Urs Meier: Ich habe schon als Ju- gendlicher davon geträumt, einmal vor großer Kulisse in meinem Lieb- lingsstadion in Mailand (San Siro) auflaufen zu können. Natürlich woll- te ich das damals als Fußballer. Doch ich musste schon bald darauf erken- nen, dass meine Begabung für den Profibereich nicht ausreichte. Also dachte ich an Alternativen und so kam ich auf die Idee, Schiedsrichter zu werden. Ich war damals 14 und in der Schweiz durfte man in diesem Alter noch keine Ausbildung dazu machen. Vier Jah- re später belegte ich aber dann den dazu er- forderlichen Kurs und meine Schiedsrichter- Laufbahn konnte beginnen. Haben Sie zu Ihren aktiven Zeiten von den Spie- lern ausreichend Respekt erhalten? Urs Meier: Ja, das würde ich schon sagen. Wenn man selbst respektvoll mit den Spielern,  GCM 1 / 2017 ›In unserer gesamten Gesellschaft haben sich die moralischen Grenzen verschoben.‹ Urs Meier teilweise mit ihnen abklatschen oder sogar umarmen. Da geht doch die Distanz verloren, die ein Schiedsrichter unbedingt braucht, um neutral sein zu können. Vor wem oder was haben Sie persönlich den meisten Respekt? Urs Meier: Vor ehrlichen, aufrichtigen Men- schen, die mit offenem Visier agieren. Vor je- nen, für die ein Wort noch ein Wort ist und für die noch ein Handschlag zählt. Ich finde, speziell mit Blick auf den Fußball, aber auch darüber hinaus, dass man auch bei gefühlten den Booten liegen! Das gilt im Übrigen nicht nur für Fußball- Schiedsrichter, sondern Richter generell. Die Richter-Robe bzw. die früher ja vorgeschriebe- ne schwarze Schiri-Kluft stellen ja auch sicht- bare Symbole dafür dar. In England ist das Un- parteiischen-Verhalten noch sehr viel konser- vativer als bei uns. Da reicht der Referee den Spielern kurz vor dem Anpfiff nur obligato- risch die Hand und schaut ihnen noch kurz in die Augen, aber das ist auch alles. Abklat- schen oder Umarmen wären hier undenkbar.

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