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GCM 1-2017

GERMAN COUNCIL . RESPEKT ANLEItUNG ZUr BLÜHENDEN StADt Bauverantwortlichen mangelt es nicht an Respekt vor der Stadt, sondern an guten Einfällen und Mut, Konventionen zu kippen, meint der Architekturhistoriker Professor Helmut Geisert in einem Interview mit dem German Council Magazin Professor Geisert, vor über 30 Jahren zeigten Sie mit Ihrer Ausstellung »Berlin im Abriss« auf: Mehr als Bomben zerstörte der Wiederaufbau die Stadt. HelmuM GeiserM: Ja, wir zeichneten damals nach, wie die Gegend um den Potsdamer Platz vom vitalen Viertel zum Brachland verkam. Damals stand noch die Mauer, eine Neuent- wicklung war nicht absehbar. Aber die Aufar- beitung half den Stadtverantwortlichen, die historische Qualität Berlins zu verstehen. Fünfzehn Jahre später griff Senatsbaudirektor Hans Stimmann wesentliche Ideen der Aus- stellung in seinem Planungswerk und Buch »Die gezeichnete Stadt« auf. Bis heute ist es die Direktive der Stadtentwickler und erhebt die Vorkriegsqualitäten zum Ziel. Ob das ge- lingt, mag ich bezweifeln. Was genau zerstörte das Nachkriegsberlin? HelmuM GeiserM: Das Amalgam aus Formalis- mus, Gedankenlosigkeit und Spekulation. Ab den 1950er-Jahren wollte die Planungspolitik auf den Trümmern Berlins eine funktionale Stadt mit möglichst vielen Autostraßen errich- ten. Bourgeoise Gründerzeitbauten galten als überholt, stadtteilweise riss man sie nieder . m o c o t o h p k c o t s i – o o T T o o F © 0 GCM 1 / 2017 wie in Wedding. Sie passten nicht zur neuen Vorstellung sozialen Wohnens. Das sollte kleinbürgerlich sein – am Stadtrand und um- geben von großen Supermärkten mit Parkplät- zen. Quartiere wie Marzahn oder das Märki- sche Viertel entstanden, funktionierten aber nicht sonderlich gut. nahmen. Mittlerweile gibt es derer so viele, dass sie sich gegenseitig das Wasser abgraben. Was bedenklich ist, weil die Planung den Kon- sum zum Quartiersmittelpunkt erhob. Ebenso bedenklich ist, dass der Mietermix nach Ein- kommen vorselektiert. Lebendigkeit lebt von vielseitigen Angeboten und Interessen. Bis in die 1980er hinein waren deutsche Pla- nungsämter fest in der Hand der bürokrati- schen Umsetzung falsch verstandener Ideen der Moderne. Die Praxis verkam zur Parodie wegweisender Ideen, hohe Lebensqualität zu schaffen. Schon 1966 übte der Architekt Aldo Rossi mit »Die Architektur der Stadt« massive, aber weitgehend unerhörte Kritik. Und wie veränderte sich die Planungspolitik in den 90ern? HelmuM GeiserM: Von Trabantenstädten und Reihenhauskolonien in der Peripherie ließ man ab. Städtisches Leben war wieder Mode. Woh- nen, Arbeit und Freizeit rückten räumlich mehr zusammen. Seit der Wiedervereinigung ge- schieht das in einer Art Satellitenpolitik: Parallel zum S-Bahn-Ring erwuchsen Quartiere, in de- nen Shopping Center die Nahversorgung über- Halten Sie denn den Potsdamer Platz heute wie- der für lebendig? HelmuM GeiserM: Zeitweilig ja. Die öffentliche Verkehrsanbindung ist gut. Menschen kom- men, arbeiten, kaufen ein und fahren wieder. Wer außer Touristen verbringt hier Freizeit? Im Grunde entstand ein Geschäftszentrum, dominiert von Büros, Hotels und Malls. Zuge- geben, einige Gebäude wie das von Kolhoff, sind wirklich schön. Vielleicht ist es sogar das beste Neue in Berlin. Mit der traditionellen Stadt hat das wenig ge- mein. Die gibt es längst nicht mehr. Über Jahre konzentrierten und monopolisierten Konzer- ne das Warenangebot. Dagegen kommen bes- tenfalls noch Liebhaberläden an. Den Quartie- ren fehlt der Bäcker, bei dem geklatscht und getratscht wird, der afrikanische Friseur und die türkische Schneiderin. Das verändert den Flair des Handels. Deshalb sind die Orte so austauschbar wie ihr Angebot. Was kann moderne Handelsorte lebendig ma- chen? HelmuM GeiserM: Gib Menschen einen Grund sich zu treffen, statt das öffentliche Leben auf Konsum zu reduzieren! Shopping Center haben in den vergangenen Jahren viel dazu- gelernt. Sie streben dahin, moderne Markt- plätze zu sein: Die Jungen treffen sich und ihre Marken hier; Peripherie-Bewohner un- ternehmen Ausflüge dorthin, und ältere An- wohner suchen in Cafés und auf Bänken Ge- sellschaft. Das gilt es weiterzuentwickeln ... ökonomisch, aber auch unter kulturellen Gesichtspunkten: Warum nicht Museumsfili- alen integrieren? Warum nicht Begegnungs-

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