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GCM 2-2017

GERMAN COUNCIL . VERANTWORTUNG Ein weiterer Grund für das veränderte Bewusst- sein ist der gesellschaftliche Wandel. Heute spielt die politische Akzeptanz von Projekten und die Mitsprache der Bürgerinnen und Bür- ger eine immer größere Rolle. Investoren müs- sen sich den Debatten stellen, objektiv nimmt die Zahl der Bürgerentscheide zu Städtebaulich sind wir längst noch nicht da, wo wir gern sein würden. Die Mixed-Use-Projekte haben ebenso noch Luft nach oben wie die transparente Kommunikation in Projekten. Aber die bisherigen Fortschritte der Immobili- enwirtschaft sind schon enorm. Haben Sie einen städtebaulichen Appell spezi- ell an Handelsimmobilien-Entwickler? Prof. Jörn Walter: Ich bin für die konsequente Weiterentwicklung und maßstäbliche Integrati- on von Mixed-Use-Projekten. Im Kontorhaus- viertel muss man sich nicht so kleinteilig ein- passen wie in Ottensen. Und in Städten wie Schwerin oder Münster braucht man eine noch feinere Struktur als ge- wöhnlich in der Großstadt. Besser in- tegrieren heißt auch, ebenerdig mehr Dienstleistungen anzusiedeln, gerade in den Randgebieten. Und manche Shoppingcenter Einkaufszentren sind noch zu stark binnenorientiert, sie sollten am Gleichgewicht von Innen und Außen arbeiten. Vielfalt ist die Normalität der Stadt. Die muss der Handel bieten. Aber z.B. der Neue Wall mit all den Spitzenmarken und Textilläden wirkt auf mich langweilig. Gelingt es nicht, auch wie- der ein Café oder einen Blumenladen unterzu- bringen und die Miete anzugleichen, wird es zu monoton. Shoppingzentren sind da oft aus- gewogener. Aber gerade die Marktführer soll- ten darüber nachdenken, Ansiedlungen aus der Peripherie zurückzuholen. Das Stilwerk am Fischmarkt in St. Pauli war ein erster Versuch, Möbel zu rezentralisieren. Warum nicht wun- derbare Lampen- und Fliesenläden oder Auto- hersteller in klassische Malls integrieren? Tesla eröffnete in der Innenstadt an den Großen Blei- chen einen Flagship-Store mit nur einem Auto, das ständig Besucher anzieht. Bürger und Politik erwarten Planungen, die noch in 100 Jahren funktionieren. Wie schaffen Sie Vertrauen, sodass man Ihrer Stadtentwick- lungspolitik folgt? Prof. Jörn Walter: Letztlich geht es darum, einzuhalten, was man verspricht. Vertrauen braucht Zeit. Und natürlich gehört es auch zu meiner Rolle, Ideen zu liefern und Menschen  GCM 2 / 2017 ›Wie viele Handelsprojekte integrieren heute beispielsweise Wohnen? Selbst Discounter wie Aldi und Lidl stellen um, was ich Jahren eintritt, lässt sich schwer abschätzen. Präziser lässt sich der zweite Zeithorizont vor- aussagen, der 15 bis 20 Jahre umfasst. Etwa so lange dauert der Bau einer U-Bahn-Linie, die Verlegung des Bahnhof Altona oder der Bau des A7-Deckel. Als Folge dieser städtebaulichen Maßnahmen verändert sich die Lagequalität, was ziemlich gut absehbar ist. Und Fünfjahres- planungen sind ganz konkret. Für den diesen Zeitraum kenne ich fast alle Bauabsichtenanträ- ge. Denn wer in fünf Jahren fertig sein will, muss heute einen Antrag stellen, Einfamilien- häuser ausgenommen. Würden Sie von sich selbst sagen, Sie sind ein Visionär? Prof. Jörn Walter: Der Begriff ist immer etwas schwierig. Natürlich erfordert meine Tätigkeit im positiven Sinne nach vorne zu denken. Das ist in der Stadt nicht anders als in jedem Unter- nehmen. Auch die brauchen Strategen, die überlegen, wie man in fünf Jahren dastehen will: Wo sind Zukunftsmärkte? Wo Trends? Welche Produkte können wir anbieten? Sie brauchen ein Zukunfts- bild von der Stadt und müssen strate- gische Entscheidungen treffen wie die, ob sie nach innen oder außen wachsen wollen. Das müssen Sie über viele Jahre vorantreiben, denn sonst passiert in der Praxis nichts. Womit werden Sie Ihre Zeit verbringen, jetzt da Ihr Amt als Oberbaudirektor bald endet? Prof. Jörn Walter: Mein Hobby ist schon mein Beruf. Aber irgendwann muss man loslassen können. Die Friedhöfe sind voll mit Leuten, die sich für unentbehrlich hielten. Nur Golf spielen und am Strand liegen ist aber auch keine Pers- pektive. Ich werde noch ein wenig lehren und ehrenamtliche Dinge machen. Nach 35 Jahren Rund-um-die-Uhr-Job möchte ich jetzt auch die Freiheit genießen, etwas mehr Zeit für andere Tätigkeiten zu haben. Das Gespräch führte Rahel Willhardt, freie Journalistin dafür zu begeistern. Das ist mit Auseinanderset- zung und Streit verbunden. Nehmen Sie Wil- helmsburg, einen Hamburger Stadtteil mit vie- len sozialen Problemen. Niemand hier fand es anfangs gut, ein hohes Haus für die Baubehörde zu errichten. Ich erinnere mich noch gut an die Diskussionen. Hochhäuser waren durch 70er- Jahre-Gebäude im Stadtteil negativ besetzt. Als ich versprach, »unsere werden anders«, erwi- derten sie: »Das erzählt ihr Planer immer und dann stellt ihr uns so einen Kram hin«. Setzt man sich trotzdem durch und baut bessere Ar- chitektur, nehmen Menschen das wahr. So ent- steht Vertrauen. Aber der Weg ist lang. Man darf nie zu viel versprechen, muss aber doch zusi- chern, auf dieses und jenes zu achten. Morgens und abends bekomme ich auf dem Weg zur S-Bahn mit, was die Leute im Viertel re- den. Als 2013 »das bunte Ding« fertig wurde, gab es positive wie negative Stimmen. Aber alle waren sich einig: Es ist etwas Besonderes ent- großartig inde!‹ Prof. Jörn Walter standen – ein Leuchtturm, der Wilhelmsburg in Wert setzte. Zwar mag er ein wenig bunt gera- ten sein, aber bunt sind wir auch. Politisch ist die Fassade für alle Eventualitäten gerüstet: Ob grün, schwarz, gelb oder rot, Senatoren und Parteien aller Couleur können sich hier wohl- fühlen. Heute bei den Wilhelmsburgern nach- gefragt, würden sie vielleicht sagen: »Die Pla- ner sind etwas spinnert, aber schön ist es!« Da bin ich mir ganz sicher. Kurz nach Ihrem Amtsantritt sagten Sie in ei- nem Interview mit der ZEIT, dass Planung maxi- mal fünf Jahre voraussehen kann. Worauf ver- trauen Sie, um zu entscheiden, was das Beste für die Stadt ist? Prof. Jörn Walter: Stadtplanung muss man mindestens in drei Zeithorizonten denken. Wie Sie nehme auch ich Utopien wahr und denke darüber nach: »Wo könnte die Reise für Städte hingegen?« Wir haben bei der Digitalisierung nur die Facette des Handels angerissen, aber es gibt ein ganzes Spektrum von Veränderungen wie Mobilität, HausautomationGebäudema- nagement oder AbrechnungssystemeKommu- nikationssystemen, die die Welt und damit auch die Städte verändern. Was davon in 20 bis 30

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