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GCM 3-2017

GERMAN COUNCIL . INTUITION DAS wArENHAUS ALS BAUCHGEFüHL Der Universalist lebt. Davon ist Karstadts ehemaliger Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Helmut Merkel überzeugt. Zumindest dort, wo viele Passanten sind und der Warenhausauftritt Gespür fürs Ganze beweist. Herr Merkel, 2006 legten Sie ihr Vorstandsman- dat bei der Arcandor AG (zuvor Karstadt Wa- renhaus AG, heute Signa-Holding) nieder. War das eine Kopf- oder Bauchentscheidung? Helmut Merkel: Primär eine des Kopfs und des Aufsichtsrates. Als ich 2003 das Mandat übernahm, hatte der Konzern eine extrem schwierige Phase. Nicht die Warenhäuser oder das Versandgeschäft, sondern Thomas Cook verursachte damals Probleme. Mit dem An- schlag auf New Yorks Zwillingstürme im Sep- tembers 2001 geriet das Reisegeschäft in einen drastischen Sturzflug. Am Jahresende verlang- ten die Wirtschaftsprüfer eine Buchwertkorrek- tur, was den Konzern in eine dramatische Schief- lage brachte: In der 9-Mrd-DM-Bilanz stimmte keine Bankkennziffer mehr, die Geldhäuser ver- langten mehr Sicherheiten. Und zwar sofort. Das damalige Management reagierte mit Kos- tenkorrektur und Personalabbau. So begann ein stetiger Umsatzabfall. In dieser Situation übernahm ich 2003 den Vorsitz von Wolfgang Urban. Was folgte, war eine Zeit der Restruktu- rierung großen Stils: z.B. wurden die kleinen Warenhäuser verkauft, die Lebensmittelabtei- lungen in ein Joint-Venture mit Rewe einge- bracht, Bereiche outgesourct und ein Sanierung- starifvertrag mit den Gewerkschaften verhan- delt. 2005 gelang es uns, die Umsätze zu stabili- sieren. Ab 2006 ging es wieder aufwärts. Weil es das Jubiläumsjahr zum 125-jährigen Bestehen war, stiegen die Gewinne sogar wieder kräftig. Trotz des Erfolgs stiegen Sie aus? Helmut Merkel: Ja, ich durfte mein Mandat niederlegen. Die Entscheidung war im Sinne des Aufsichtsrats. Der wollte von der Sanie- rungsstimmung wieder ins Normalgeschäft hin- übergleiten, was andere Managementkompe- tenz erfordert. Persönlich war ich froh, die furchtbar anstrengende Zeit hinter mir zu las- sen. Der Break war meine Chance, in die Hei- matstadt meiner Frau, nach Hong Kong, über- zusiedeln und unsere Kinder an dieser Kultur partizipieren zu lassen. Für Arcandor habe ich in Hong Kong noch den Verkauf der damals konzerneigenen Sourcingorganisation an Li & Fung arrangiert und auch vollzogen. . m o c o t o h p k c o t s i – o l l o © 1 GCM 3 / 2017 Welche Rolle spielt das Bauchgefühl bei der Sa- nierung von Unternehmen? Helmut Merkel: Verlustsituationen sind immer von Hard Facts geleitet, also von der Ratio. Emo- tional ist der Ausblick. Der Glaube, dass es eine Zukunft gibt und dass die Fähigkeiten aller Be- teiligten die Situation zu einem Besseren wen- den wird. Selbst habe ich immer ans Warenhaus geglaubt, wenn auch nicht an jedem Standort in Deutschland. An welche Standorte haben Sie geglaubt? Helmut Merkel: Wir untersuchten die Handels- landschaft nach genauen Attributen. 60 Städte hatten die nötige Frequenz und Kaufkraft für eine Höherpositionierung. Doppelstädte mitgezählt er- gab das 89 Häuser plus vier Premium-Häuser. Bei damals ca. 300 Departmenstores gab es demnach viele, für die wir keine Zukunft sahen. Bis 2006 gründeten wir 74 Kleinstadtfilialen er- folgreich aus und riefen die Premiumgruppen ins Leben. Zum Premiumstandort taugten nach unserer damaligen Sicht vier Häuser: das KaDe- We, das Alsterhaus Hamburg sowie Frankfurt und Dresden. Hier stimmte die Frequenz der Passanten, aber auch die der Touristen. Deshalb hatten sie das Zeug zur Destination. Patrice Wagner, heute Präsident der Le Bon Marché Gruppe, verantwortete damals die Premium- sparte. Trotz Sanierungskurs gelang es uns 2004, Mittel für die Sanierung des KaDeWes und Alsterhauses loszueisen. Ihr Upgrade war in der Krise ein wichtiges Signal. Für die 89 Großstadt- häuser fehlten uns die Ressourcen zur Moderni- sierung. In jedes Haus nur eine Mio. Euro ge- steckt, hätte eine Gesamtinvestition von knapp 100 Mio. Euro bedeutet, aber fast nix bewirkt. Wann waren Sie zuletzt in einem Kaufhaus? Helmut Merkel: Letzten Monat in Toronto. Ich wollte mir Hudson Bays neugegründetes Saks of Fifth Avenue anschauen. Ableger des New Yorker Luxusoutlets gibt es seit Juni auch in den einstigen Kaufhoffilialen Düsseldorf und Frank- furt. Der in Stuttgart ist in der Entwicklung.

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