Page 6 - German Council Magazin 04.2019
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GERMAN COUNCIL . MOBILITÄT




       Mobil zu sein ist unser                                                 Kontinent aus. Gut 60.000 Jahre vor Beginn
                                                                               der heutigen Zeitrechnung sind die ersten
       Grundbedürfnis                                                          Gruppen auf die arabische Halbinsel und von
                                                                               dort in den Nahen Osten, nach Europa und
                                                                               Asien vorgestoßen. Bereits 10.000 Jahre spä-
                                                                               ter, das zeigen archäologische Funde, ist der
       Bewegung ist in unseren Genen verankert. Sie hat unsere Vorfahren       Mobilitätsdrang so stark, dass Menschen
       erst von den Bäumen Afrikas in dessen Savannen und dann über die        Boote bauen, um von Südasien über das
       ganze Welt getrieben. Der Drang, sich zu bewegen, hat die Menschheit    Meer hinweg nach Australien vorzudringen.
                                                                               Rund 19.000 Jahre vor Christi, am Ende der
       zu immer neuen Erfindungen verleitet – vom Ochsenkarren über die        Großen Eiszeit, finden aus Sibirien kommen-
       Eisenbahn bis hin zum Automobil. Aktuell arbeitet man an Fahrzeugen,    de Gruppen den Weg auf den amerikanischen
       die nicht mehr Kraftstoffe verfeuern, sondern mit Strom betrieben       Kontinent durch die trockengefallene Bering-
                                                                               straße – die heute 82 Kilometer breite, jedoch
       werden – nicht wirklich eine Innovation, sondern vielmehr die           nur 30 bis 50 Meter tiefe Meerenge zwischen
       Renaissance einer Idee des 19. Jahrhunderts                             der Tschuktschen-Halbinsel und Alaska.

                                                                               Jahrhunderttausende lang ist der Mensch bei
                                                                               seinen Wanderungen allein auf seine Füße an-
                                                                               gewiesen. Hab und Gut, das Fleisch erlegter
       Es ist eine Kooperation von Giganten: Die Ap-  Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeit-  Tiere und gesammelte Beeren müssen in aus
       coa Gruppe, mit 10.000 Parkhäusern und -plät-  raum«, sagt JATO-Analyst Felipe Munoz.  Gras und Weiden geflochtenen Körben getra-
       zen der größte Betreiber von Autostellplätzen                           gen werden. Leichter wird es vor rund 110 Mil-
       in Europa, und die E.ON- und RWE-Tochter In-  Mobilitätsdrang lässt die Menschen   lennien, als Homo sapiens Freundschaft mit
       nogy, mit einem Jahresumsatz von rund 37   Boote bauen                  Canis lupus schließt: Einige Menschen und
       Milliarden Euro Deutschlands größter Betrei-                            Wölfe beginnen, gemeinsam zu jagen. Die Ko-
       ber von Stromverteilernetzen, wollen gemein-  Mobilität ist mehr als ein Grundbedürfnis der   operation zahlt sich aus. Gemeinsam können
       sam die Lade-Infrastruktur für Elektrofahrzeu-  Menschheit; es ist der Antrieb, der es unserer   sie in kürzerer Zeit mehr Hirsche, Mammuts
       ge ausbauen. Ziel sei es, »Parkhäuser zu den   Gattung ermöglicht hat, sich über den gesam-  und Rehe erlegen, als wenn jede Gattung für
       Mobilitätszentren der Zukunft zu entwickeln«,   ten Planeten auszudehnen. Nachdem vor   sich allein auf die Jagd ginge. Die Nachkom-
       sagt Apcoa-CEO Philippe Op de Beeck.  mehr als 2,4 Millionen Jahren die Vorfahren   men der Raubtiere, die sich dem Menschen
                                           des heutigen Homo sapiens, also Angehörige   anschließen, lassen sich domestizieren, wer-
       »Parkhäuser spielen bei der Energiewende in   des Homo habilis, im heutigen Kenia und Tan-  den zu Canis lupus familiaris, dem Haushund
       der Stadt sowie beim Ausbau der Elektromo-  sania von den Bäumen im Regenwald gestie-  – und bald neben Jagdgefährten auch zu
       bilität und der öffentlichen Lade-Infrastruktur   gen und in die Savannen vorgedrungen sind,   Lastenträgern. Auf Travois, miteinander durch
       eine wichtige Rolle«, sagt Hildegard Müller,   haben sie sich als Jäger und Sammler auf   Sehnen und geflochtenem Gras verbundenen
       Vorstand für Netz & Infrastruktur bei Innogy.   ihre Beine verlassen, um Nahrung zu finden.   Stangen, schleifen sie den Besitz ihrer Men-
       »Mit Photovoltaik auf Dächern und an Fassa-  In gewaltigen Wanderungsbewegungen brei-  schen  bei den gemeinsamen Wanderungen
       den, Batteriespeichern und intelligenten Ma-  ten sie sich zunächst über den afrikanischen   hinter sich her.
       nagementsystemen können sie zur Energie-
       zentrale werden.«

       Das am 10. September dieses Jahres ge-
       schlossene Abkommen  zwischen  den bei-
       den Branchen-Primi zeigt, dass die Ge-
       schichte der menschlichen Mobilität eine
       weitere  Stufe  erfahren  hat: Nach  den  Ären
       von Ochsen- und Pferdekarren, dampf-, ben-
       zin- und dieselbetriebenen Fahrzeugen
       scheint nun das Zeitalter der Elektroauto-
       mobile anzubrechen. 5,6 Millionen soge-
       nannte Stromer waren Ende 2018 weltweit
       in Betrieb. Weitere 765.000 sind in der ers-
       ten Hälfte dieses Jahres neu hinzugekom-
       men, vermeldet das Londoner Automobil-
       wirtschafts-Analysehaus JATO Dynamics.
       »Dies entspricht einer Steigerung von 92   Philippe Op de Beeck         Hildegard Müller


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